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Mutant Chronicles 3rd Edition & tremulus Play Reports

Die Burg (Image: obskures.de)

Die Burg (Image: obskures.de)

Alle Jahre wieder geht es mit ein paar Bekannten und Freunden privat auf „die Burg“ zum Rollenspielen. Das Treffen wird vorab durchgeplant und es kommen eher Exoten auf den Spieltisch. Spielrundensuche, Charakererstellung und anderes Gedöns bleibt uns dank der hervorragenden Organisation glücklicherweise erspart. Die Spielleiter sind vorbereitet. An den Tisch setzen, kurze Spieleinführung und los … Den Spielbericht meiner Symbaroum-Runde veröffentlichte ich bereits gestern.

Für mich machte eine Teilnahme an einer angebotenen River of Heaven-Runde leider keinen Sinn, da ich das Abenteuer bereits kannte und überhaupt wollte ich auch das neue Mutant Chronicles-Rollenspiel (2D20) ausprobieren.

Quasi als Bonus verirrten wir uns abends noch in das durch und durch verdorbene Ebon Eaves (tremulus).

SPOILER: Mutant Chronicles: Straffar Gatan 39 & The Fall of von Hölle

Unser Spielleiter Reto (FinestGames) präsentierte uns in etwa 7 Stunden nicht ein, sondern gleich zwei kurze Mutant Chronicles-Szenarien.

Das neue Regelbuch von Modiphius ist – für mich – eher ernüchternd, Munchkins und Waffenfreaks wird das System voraussichtlich eher ansprechen. Seitenweise Crunch zum Abgewöhnen für Leute, die kein anderes Leben haben. Dieser Power- und Gadgetfetischismus erinnert erschreckend an Shadowrun, das ja ein paar Anhänger haben soll. Zudem sind die Regeln unnötig aufgeplustert.

Mutant Chronicles 3rd Edition (Image: Modiphius Entertainment)

Mutant Chronicles 3rd Edition (Image: Modiphius Entertainment)

If I recall correctly.

Normalerweise wird zu den Attributen Expertise, eine Fähigkeit, addiert und Focus, die Chance für einen kritischen Erfolg, muss unabhängig davon gesteigert werden. Überdies gibt es noch Chronicles Points (Bennies, Fate Points), Momentum (etwa Stunt Points bei Fantasy Age), und wenn ich das noch richtig im Kopf habe, dann sind da noch Dark Symmetry Points (eine Art Bad Luck-Points, die der Spielleiter gegen die Spieler einsetzen kann). Mit anderen Worten jede Menge Firlefanz für Leistungsrollenspieler und Regeladvokaten mit Hang zur Regelmasturbation. Wie soll es auch sonst auf eine höhere Daseinsebene gehen? Wer’s braucht? Ich nicht.

Am Spieltisch werden die Fronten schnell deutlich. Auf der einen Seite die Fraktion, die im Regelbuch erlösende Antworten sucht, um das Optimale herauszuholen und auf der anderen Seite diejenigen, die der Spielleitung vertrauen und gerne Rollenspielen möchten. Keine Idealvoraussetzungen – für alle Beteiligten.

Vielleicht lag es an der ruhigen und bedachten Spielleitung, aber das 2D20-System, eigentlich 2D20+, spielt sich grundsätzlich angenehmer als es der Regelwälzer vermuten lässt. Aufgrund der oft 3D20 liegen Assoziationen zu Das Schwarze Auge nahe, aber bei den Regeln von Modiphius werden einfach Erfolge gezählt. Würfe unter den jeweiligen Focus-Wert bringen zusätzliche Erfolge. Ungenutzte Erfolge führen zu Momentum, welches Spezialeffekte auslösen kann. Einmal verstanden und in den Kontext mit den ganzen Stellschrauben ((Un-)Glückspunkte) gebracht, spielt sich das neue Mutant Chronicles eigentlich ganz gut, solange die Regelanwälte ihre Nerven behalten. Übrigens der Index des Regelwerks erwies sich als ziemlich unbrauchbar.

Sowohl Straffar Gatan 39 als auch The Fall of von Hölle haben ein ähnliches Problem wie das Symbaroum-Abenteuer The Mark of the Beast. Alles läuft auf geskriptete Events heraus. Die Investigationsbemühungen der Spielrunde sind lediglich Mittel zum Zweck, um die Zeit bis zu den wegweisenden Ereignissen zu überbrücken. Leider wird dies ziemlich schnell deutlich.

Irgendeine attraktive, junge Bauhaus-Dame verschwindet und als Luna Police Department-Mitarbeiter bzw. -Freischaffende müssen wir die Vermisste natürlich retten. Das Übliche halt. Zunächst geht es zu ihrer unerwartet herunter gekommenen Bleibe – Straffar Gatan 39. Die Dark Symmetry bricht aus und mutierte Zeitgenossen machen den Ermittlern das Leben „überraschend“ schwer. Szenisch zweifelsohne sehr schick, aber strukturell aus genannten Gründen eher schwach. Dennoch gelang es der Spielleitung eine Videodrome-artige Stimmung (Cronenberg) aufzubauen. Respekt!

Die Spur führt mehr oder minder direkt zu einem Capitol-Sender und zu The Fall of von Hölle. Die Autoren hatten wohl Warhammer zum Frühstück? Auf dem Weg zum Antagonisten bricht besagte Hölle los. Kollidierende Raumschiffe einschließlich Trümmerregen, brennende Schulbusse mit Kindern, Corporate Street War usw. – das volle Programm. Immerhin sind wir Zeuge des Ausbruchs der Dark Symmetry. Klotzen, nicht Kleckern, der Endboss wartet schon.
Hier wird es besonders auf persönlicher Ebene interessant. Reto, unser Spielleiter, eröffnet während einer Pause, dass er normalerweise keine Spielercharaktere tötet. Das ist ziemlich antithetisch zu meinem präferierten Spielstil.
Der Showdown beginnt entsprechend „beherrschbar“. Mittendrin kippt das Ganze zu unseren Ungunsten, Reto zieht an und es wird noch mal richtig spannend. Von Hölle und seine Schergen setzen uns ordentlich zu. Doch ein Total Party Kill? Ein, zwei lucky Strikes setzen schließlich dem Schrecken ein Ende.
Nach meiner Einschätzung war die Spielleitung von der andauernden Regelmeierei irgendwann genervt, deshalb ging es schließlich noch mal richtig zur Sache. Hatte was, auch weil sich der Spielrahmen überraschend konsequent gedreht hatte. Natürlich retteten wir die Bauhaus-Lady. Es bleibt dabei, szenisch und atmosphärisch kann The Fall of von Hölle sogar noch mehr als der erste Streich, doch die Abenteurer werden praktisch an der Hand durch das Szenario geführt. Hm – muss man/frau mögen.

Eine klarere Linie in Bezug auf den Umgang mit Regeldiskussionen hätte weiter dazu beigetragen, die grundsätzlich überraschend angenehme Spielmechanik, das schmucke Düstersetting und besonders die cineastische Szenariostimmung zwischen Crime Noir und Over-the-top-Action rüberzubringen, dennoch – für meinen Geschmack – eine ziemlich runde Sache.

System does matter, but the players make the game.

Unsere Spielleitung hat das neue Mutant Chronicles unerwartet gut verkauft. Danke. Sicher ginge ein besser geeignetes Spielsystem, dennoch würde ich – ohne Munchkins – gerne wieder Luna City (un-)sicher machen.

Nicht jeder verfolgt das gleiche Spielziel. Optimierer, die während des Spiels anderen – unaufgefordert(!) – erklären, wie sie ihren Charakter auszulegen haben, gehen im Übrigen gar nicht.

SPOILER? tremulus & Ebon Eaves
tremulus: Adventures in Ebon Eaves (Image: obskures.de)

tremulus: Adventures in Ebon Eaves (Image: obskures.de)

Eigentlich kann tremulus nicht wirklich gespoilert werden. Das cthuloide Rollenspiel basiert auf Powered by the Apocalypse, d. h. ausgehend von einer gemeinsam entwickelten Basis wird alles improvisiert. Ein Fall für Oliver (Dice and Geeks), der mit der Horror-Variante von Reality Blurs immer wieder das Fundament für großartige Rollenspiele schafft.

Zunächst stellt der Spielleiter ein paar Fragen, aus denen er einen Buchstabencode ableitet. Während wir unsere Charaktere fertig machen, skizziert er mithilfe des Regelwerks sein Basisszenario. Diese Vorbereitung dauert nicht länger als 20 Minuten.

Wir kommen – wieder einmal – nach Ebon Eaves, dieser vollkommen verdorbene Ort im amerikanischen Niemandsland der 1920er.

Die Geschichten sind schnell erzählt. Der Kriminelle Don Dellinger ist auf der Flucht. Sein letzter Raub ging schief. Bei seinem Bruder, einem katholischen Priester, findet er Unterschlupf, aber nur kurzzeitig, denn Bugsy, sein ehemaliger Kumpane, rückt ihm mit zwei Schlägern auf den Pelz.
Überdies gehören noch eine koksende, sexuell frustrierte Schriftstellerin und ein hilfsbereiter Landstreicher zur Gemeinde, der jedoch nie die Kirche betritt. Wie gesagt, die Ganoven rücken an, Don nimmt Reißaus. Er, die Schriftstellerin und der Landstreicher gelangen schließlich in ein Geisterhaus. Der Priester, excellent von unserem Mutant Chronicles-Spielleiter Reto dargestellt, macht sein eigenes Ding und wird von kultierenden Cops entführt. Er soll wohl geopfert werden. Den drei im Spukhaus ergeht es weniger besser. Geheime Pentragame, geisterhafte Erscheinungen, Portale in andere Welten – zumindest für Don ist das alles zu viel. Zurück im Pfarrhaus findet er Blutspuren und seine in der Hektik zurück gelassene Knarre ist weg. Ihn halten keine zehn Pferde mehr an diesem ruchlosen Ort, er steigt in seinen Wagen. Auf und davon … Ich gehe zu Bett.

Am nächsten Morgen erfahre ich, dass die Schriftstellerin und ihr Landstreicher gerade so die Konfrontation mit einem Dämonen und seinem Diener überlebten. Für den Priester und sein Gefolge lief es weniger gut.

Sie sprengten sich und die Kultisten in Luft. Reto brachte den Priester glaubwürdig und herrlich lakonisch rüber. Ganz großes Kino!

tremulus spielt sich einfach fantastisch, selbst Call of Cthulhu oder Trail of Cthulhu kommen da meines Erachtens nicht mit. Zu Realms of Cthulhu für Savage Worlds sage ich besser nichts. Die Regeln von tremulus sind angenehm einfach, die Moves der Charaktere verleiten zu Fiction first (aka Rollenspiel), vorausgesetzt man hat Freude am gemeinsamen Fabulieren und man kann mit ein wenig Improvisation leben. Ich stehe total drauf. Jederzeit gerne wieder.

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