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KULT: Divinity Lost – Voluntary Self-Censorship

Helmgast AB. Die Schweden kündigten den Kickstarter für Ihr Horror-Rollenspiel KULT: Divinity Lost für Februar an. Man darf sehr gespannt sein, ob das Team an diesem Termin festhält, denn das Crowdfunding-Budget vieler Nerds dürfte zurzeit bereits arg strapaziert sein.

Seit Anfang des Monats läuft Vincent Bakers Finanzierung für Apocalypse World 2nd Edition. In einer fairen Welt würde er damit viel Geld verdienen. Powered by the Apocalypse-Rollenspiele wie Urban Shadows, tremulus oder Dungeon World (etc.) fanden meines Erachtens verdientermaßen viel Anerkennung. Sorry, aber ich verstehe den Hype um Monte Cooks Numenera einfach nicht. Alleine für ihre Offenheit und die Freigabe ihrer Ideen sollten die Bakers belohnt werden. Punkt. Ohne sie würde es diese einflussreiche, kreative Szene gar nicht geben.

Fria Ligans Angebot einer englischen Übersetzung des ebenfalls aus Schweden stammenden postapokalyptischen Rollenspiels Mutant: Genlab Alpha zielt seinerseits nicht nur auf das Portemonnaie von Mutant: Year Zero-Fans.

Vor ein paar Tagen startete überdies Rollenspiel-Oberlehrer John Wick seinen Kickstarter für 7th Sea: Second Edition und verbucht längst mehr als 500k$ auf seinem Crowdfunding-Konto. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die begeisterten Unterstützer den verfügbaren Schnellstarter genau angesehen haben. Das neue Roll-and-Keep-Everything-System scheint mir noch nicht ganz rund zu sein. Überdies riecht es ein wenig nach Fate. Für Raises, gewürfelte (Zusatz-)Erfolge, können Spieler Kontrolle über die Erzählung übernehmen und beispielsweise rettende Geheimtüren aus dem Nichts herbeifabulieren. Kann man mögen, muss man aber nicht. Dennoch auch hier gilt, Herr Wick hat es eher verdient als andere.

Am Dienstagmittag plant Modiphius sein Sammelgesuch für Conan: Adventures in an Age Undreamed loszutreten. Das 2D20-System (Mutant Chronicles RPG, Infinity RPG) konnte mich bislang nicht vollends überzeugen, zu viel Crunch und Regeldiskussionsstoff. Die Idee mit den Spielleiterpunkten funktioniert auch nur bedingt. Nichtsdestotrotz gestaltete sich unsere Reise nach Luna City unterhaltsam. Alleine Howards Conan dürfte ein Erfolgsgarant sein. Der Miniaturenbrettspiel-Kickstarter ging bekanntermaßen ab wie eine Rakete.


(Image: Modiphius Entertainment)

KULT hat sicherlich eine treue Anhängerschaft, aber es bleibt fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, sich diesem massiven Schwarmfinanzierungswettbewerb zu stellen. Dennoch lassen sich die Macher es nicht nehmen, bereits im Vorfeld in eine Zone der Doppelmoral vorzustoßen. Auf der projekteigenen KULT: Divinity Lost-Seite bieten sie eine unzensierte Vorschau auf das Cover von KULT: Divinity Lost.

(Image: Helmgast AB)

Über das Social Media-Epizentrum Facebug wird hingegen ein flurbereinigter Engel feilgeboten.


(Image: Helmgast AB)

Wie gesagt, Haken und Blut sind in Ordnung, weibliche Brüste sind es nicht. Analog dazu scheint das Massakrieren von Orks und anderer Fantasy-Gestalten am Spieltisch voll in Ordnung zu sein, aber eine spielerische Auseinandersetzung mit den Folgen des Krieges ist es nicht. Aktuelle Moraldiskussionen über Andrew Medeiros (Urban Shadows) The Forgotten, a Live Action Game zeigen diese kognitive Dissonanz deutlich auf. Anders kann ich mir die teilweise arg deklassierenden Kommentare über seinen gegenwärtig laufenden Spielekickstarter nicht erklären. Jason Morningstars preisgekröntes Rollenspiel Grey Ranks, in dem Kindersoldaten während des Warschauer Aufstands (1944) gegen die Nazis kämpfen, ist vermutlich ebenfalls widerlich. Ein durchschnittliches Dungeons & Dungeons-Gemetzel oder eine schmucke Achtung! Cthulhu-Hatz bleiben hingegen als gute Unterhaltung in Erinnerung.

Es ist leicht, die eigenen Favoriten in die Schublade der [moralisch] richtigen und guten Rollenspiele und die anderen in die der falschen und bösen zu stecken. Gewalt, Rassismus und Sexismus sind zentrale Sujets, die in den allermeisten Rollenspielfiktionen mitschwingen. Die entscheidende Frage bleibt zumindest für mich, wie gehe ich damit als „Kriegsspieler“ um. Von Zensur halte ich – in aller Regel – wenig und reaktant, wie ich – auch – bin, lasse ich mir von selbsternannten Moralwächtern nur sehr ungern vorschreiben, was ich spielen soll und was nicht. So etwas kläre ich unmittelbar mit meinen MitspielerInnen.

Update 15.02.2016: [Text] überarbeitet. Mitunter gilt Moralbewertung ≠ Qualitätsbeurteilung.
Beispiel: Splittermond erscheint mir überflüssig. Anstössig ist das Spiel jedoch nicht. Diese Differenzierungsmöglichkeit kam bislang leider nicht überall an.

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