Nach meinem letzten Interview mit Karl-Heinz Zapf über sein Schnutenbach-Projekt hatte ich überraschenderweise eine Anfrage in meiner Mailbox. Swen Harder, Autor des, wie ich mittlerweile weiß, erfolgreichen Abenteuerspielbuchs Reiter der Schwarzen Sonne, fragte an, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm über seine Arbeiten zu sprechen.
Normalerweise frage ich an, aber sein Vorschlag weckte mein Interesse, denn immerhin schlitterte ich Anfang der 80er über die Abenteuerspielbücher Der Hexenmeister vom Flammenden Berg und Die Zitadelle des Zauberers, die ersten beiden Bände der von Ian Livingstons und Steve Jackson (UK) initiierten Fighting Fantasy-Reihe, ins Rollenspielhobby. Selbstverständlich schlüpfte ich auch in die Rolle des Einsamen Wolfs von Joe Dever und Gary Chalk. Nicht einmal das Analand war vor mir sicher …
Die aktuelle Neuauflage und Fortsetzung des Einsamen Wolfs durch den Mantikore-Verlag beobachte ich mit Interesse und Abstand. Abenteuerspielbücher sind nicht mehr in meinem Fokus.
Swen schickte mir netterweise ein Belegexemplar und ich muss gestehen: Ich bin sehr positiv überrascht. Chapeau! Das Fantasy-Spielbuch Reiter der Schwarzen Sonne kann richtig was. Besonders gefallen mir sein Schreibstil und das ebenso liebevolle wie gelungene Spieldesign, das die Regeln größtenteils peu à peu während des Spielens vermittelt.
Rollenspieldesigner nehmt euch ein Beispiel an Reiter der Schwarzen Sonne von Swen Harder und viel Spaß mit dem ersten Teil unseres Interviews.
Dein Abenteuerspielbuch Reiter der Schwarzen Sonne liegt mittlerweile in der dritten Auflage vor. Herzlichen Glückwunsch! Mach uns Dein Werk in Form eines Elevator Pitchs schmackhaft. Worum geht es in wenigen Worten?
Man verkörpert einen Ugarith, einen Wächter der Nacht, von den Göttern entsandt, um das Gleichgewicht der Welt wiederherzustellen. Leider ist sich der Held am Anfang alles andere als darüber bewusst. So wird er und seine Mächte gar missbraucht. Vermag er dies zu erkennen, seinen Rolle einzunehmen und letztendlich das Schicksal der Welt im Sinne der Götter zu ändern?
Eigentlich geht es um Licht und Schatten unserer Existenz, die Moral und Auswirkungen unseres Handelns und dass große Macht auch mit großer Verantwortung einhergeht. Der Held steckt das ein oder andere Mal in einem Dilemma: Was ist Gut was ist Böse? Und habe ich überhaupt das Recht dies zu definieren? Und wie weit darf ich gehen, um meine Ziele zu erreichen?
Bitte nicht falsch verstehen, aber weder Du noch die Deine Spielwelt (Marke/Brand) waren zuvor bekannt. Wie erklärst Du Dir den Erfolg Deines wirklich umfangreichen und detailreichen Spielbuchs?
Ich habe selbstverständlich keine Fakten oder belastbaren Umfragen durchgeführt, insofern kann ich diese Frage nur mit meiner subjektiven Einschätzung beantworten…
Trotz des gigantischen Erfolgs der Spielbücher in den 80er- und 90er-Jahren sind sie vielen immer noch unbekannt. Es gibt also zwei potenzielle Zielgruppen: Alteingesessene Spielbuch-Fans, die dem Genre noch immer zuneigt sind und diejenigen, die das Konzept eines interaktiven Romans sehr spannend finden und neugierig werden. Besonders letztere greifen zu Reiter der schwarzen Sonne, da es ein Einzelband ist und auch mit einem geringen Verständnis zu Rollenspielmechanismen zugänglich ist. Somit ist es zum einen für Einsteiger interessant, als auch für Kenner, die eher von der Größe und dem sich entwickelnden, hohen Anspruch angesprochen werden.
Wie lange hast Du an Reiter der Schwarzen Sonne gearbeitet? Wie darf man sich die Zusammenarbeit mit dem Mantikore-Verlag vorstellen? Bist Du einfach hingegangen und hast gesagt, wollt Ihr mein fertiges Spielbuch mit über 1350 Abschnitten veröffentlichen, oder wie dürfen wir uns das vorstellen? Warum habt Ihr das Buch eigentlich nicht geteilt? Wolltet Ihr ins Guiness-Buch der Rekorde?
Die Fertigstellung hat rund vier Jahre gedauert, wobei ich sagen muss, dass ich nicht ununterbrochen daran gearbeitet habe. Im Oktober 2010 hatte ich das Buch etwa zur Hälfte fertiggestellt und ich war auf der Suche nach einem Verlag. So entschloss ich mich zur Spiel-Messe nach Essen zu fahren und das Manuskript Nicolai Bonczyk, dem Chef des Mantikore-Verlags, vorzulegen. In Folge sprach man regelmäßig über das Projekt und es flossen natürlich immer wieder Anpassungen und Verbesserungen ein.
Die Frage nach der Teilung des Buchs in zwei oder gar drei Teile wurde mir von außen zwar immer wieder nahegelegt, doch das kam für mich niemals in Frage. Erstens war es von Anfang an mein Plan, das größte Spielbuch zu schreiben (eigentlich sollte es „nur” 1000 Sektionen haben) und zweitens macht es in Bezug zur Handhabung keinen Sinn, da man auch in späteren Kapiteln immer wieder nach vorne verwiesen wird und ich wollte dem Leser ersparen, ständig mehrere Bücher parat halten zu müssen.
Neben dem offensichtlichen Umfang fällt mir Dein cleveres Spieldesign besonders ins Auge. Nach nur vier Seiten mit einfachen Grundregeln zieht es den Leser beinahe beiläufig direkt in den Prolog der Geschichte. Schrittweise, während des Spiels kommen neue Spielregeln hinzu. Überdies gibt es ausgefeilte Boss Fights und versteckte Bonusabschnitte. Ich vermute, hier baust Du auf Deine Erfahrungen als Videospielredakteur und Gametester. Welche Spieldesigneinflüsse siehst Du?
Das ist sicher so. Wenn man seit seiner Jugend eigentlich jeden Tag alle Arten von Spielen daddelt und sie berufsbedingt ständig unter kritischem Licht beleuchten muss, dann bleibt da natürlich etwas hängen. Man bekommt irgendwann ein Gefühl dafür, was ein gutes Spiel ausmacht. Meiner Ansicht nach ist der Spielspaß, den ein Spiel ausstrahlt die Summe einiger wenigen Elemente. Natürlich spielen dabei auch das Genre und individuelle Vorlieben mit hinein. Mich persönlich fesselt ein Adventure dann, wenn es einen einfachen Zugang, eine interessante Story und Innovation bietet.
Die meisten großen Spiele, die man heute als Klassiker bezeichnet, hatten ein flache Lernkurve, führten neue Elemente sukzessive ein, sprich überforderten den Spieler nicht. Das war auch mein Ansatz bei Reiter der schwarzen Sonne. Es sollte niemanden abschrecken. Am Ende sollte aber jeder das Gefühl haben, dass nicht nur der Charakter sondern auch er, der Leser, sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat.
Einflüsse von Videospielen gibt es einige. Panzer Dragoon Saga, ein leider kaum beachtetes Action-Rollenspiel für den Sega Saturn, gab beispielsweise Inspiration zum Drachendesign.
Apropos, welche Bedeutung misst Du der Arbeit des Illustrators Fufu Frauenwahl bei? Dein Spielbuch integriert immer wieder elegant Bilder und grafische Elemente, wie z. B. die zufälligen Mondphasen und auch grafische Rätsel. Hattest Du dies von Anfang an so geplant?
Nun, ich hatte nicht speziell mit Fufu geplant, er stieß erst später zum Projekt. Meine Schwester Corinna, ebenfalls Autorin, entdeckte seine Seite im Internet und gab mir den Tipp. Mir gefällt sein klarer Schwarz-Weiß-Stil, der, wie ich finde, hervorragend zu Reiter der schwarzen Sonne passt. Außerdem hatte Fufu bereits Erfahrung mit dem illustrieren von Spielbüchern.
Und dass die grafischen Elemente entscheidend sein würden, war mir von Anfang an bewusst. Deshalb entschied ich mich auch den Illustrator zu wechseln, nachdem es während des kreativen Prozesses nicht so rund lief mit Fufus Vorgänger.
Die Immersion des Lesers wird natürlich durch die Bilder unterstützt und besonders dann, wenn er sich intensiv mit den Bildern auseinandersetzen muss. Und wie klappt das besser als mit Bilderrätseln?
Beim Spielen hatte ich immer wieder das Gefühl, wie bei der legendären Abenteuerspielbuchreihe um den Einsamen Wolf von Joe Dever, Du verarbeitest Deine Rollenspielwelt? Erzähl uns bitte mehr über Deine Rollenspielerfahrungen und die Geschichte der Spielwelt von Reiter der Schwarzen Sonne.
Ich spiele Rollenspiele seit Teenagertagen, sprich seit den 80ern. Hauptsächlich DSA, aber auch etliche andere Systeme. Unsere Gruppe spielte bestimmte Systeme nicht der Regeln wegen, sondern wegen des Hintergrunds und da war DSA nun mal – zumindest aus der Sicht deutscher Teenager, die keinen Zugang per Internet zu anderen Quellen kannten – das Nonplusultra. Im Gegensatz zu Joe, den ich nun mittlerweile einige Male treffen durfte, habe ich meine Welt allerdings nie als Pen ’n Paper bespielt oder dermaßen detailliert ausgearbeitet, wie er es eben mit Magnamund tat.
Für mich war wichtig, dass „meine Welt” so plastisch und realistisch wie möglich war, zumindest den Bereich, der für den Leser relevant ist. So spielt das Buch ja nur in einem kleinen Ausschnitt eines der Kontinente und der Rest wird quasi ausgeblendet. Aber warum auch nicht? Warum sollte ich den Leser mit Informationen füttern, die er eh nicht braucht. Das mag das Ego des Autors befriedigen, lenkt letztendlich nur vom Wesentlichen ab.
Wenn es mir allerdings gelang, bei dir das Gefühl einer betret- und erlebbaren Welt zu wecken, dann hat mein Ansatz ja offenbar funktioniert.
Wie fällt das Feedback der Fans aus? Planst Du eine Fortsetzung für Reiter der Schwarzen Sonne? Wenn ja, kannst Du uns mehr darüber verraten?
Das Feedback war bisher außerordentlich positiv. Darüber bin ich natürlich sehr froh und dankbar. Im Internet gibt es eigentlich nur überaus wohlwollende Rezensionen und Meinungen.
Dennoch muss ich die Hoffnungen auf eine Fortsetzung zu Reiter der schwarzen Sonne zerschlagen. Es war von Anfang an als abgeschlossene Geschichte geplant selbst wenn der Epilog ein offenes Ende bzw. Anknüpfungspunkte andeutet. Dies hat jedoch eher etwas mit der Story, sprich der Ewigkeit der Götter und ihrer Welt zu tun, als mit der Absicht, eine Fortsetzung anzudeuten.
Denn mal ehrlich: Ich hasse diese Serien und Filme, denen eigentlich eine tolle Idee zu Grunde liegt, die jedoch mit dem Vorsatz möglichst viel Milch aus der goldenen Kuh herauszupressen, gemolken werden, sprich eine Staffel nach der anderen und immer noch ein Nachfolger produziert wird, bis jeder Esprit verloren ist.
Ich finde, so eine Frage darf nicht fehlen: Dein erstes, Dein favorisiertes und Dein zuletzt gespieltes Abenteuerspielbuch?
Das erste war Der Teich der Träume von Ulrich Kaiser. Die besten Bücher sind für mich Die Saga von Bruder John von Dominique Monrocq, Doug Headline und Michel Pagel. Das letzte war Lone Wolf 21 – The Voyage of the Moonstone von Joe Dever.
Die Verabschiedung sparen wir uns dieses Mal. Der zweite Teil dieses Interviews über Dein nächstes Abenteuer Metal Heroes – And the Fate of Rock steht bereits in den Startlöchern.
Zum Aufwärmen: Bitte drei Metal Bands, die jeder kennen sollte. Ich erwarte jetzt schon ein wenig mehr als Metallica, Judas Priest, Iron Maiden & Co..
Dio – wohl wegweisend was die Verbindung von Fantasy und Metal anging. Sepultura – die Quadratur des Kreises in Bezug auf „Härte trifft Melodie”. Five Finger Death Punch – brachial-intelligenter Nu-Metal, aus der Ursuppe des 21. Jahrhunderts.
Du willst mehr über Metal Heroes – And the Fate of Rock erfahren? Lies weiter … [Coming soon]
Ich bemühe mich, die Fortsetzung zeitnah zur Verfügung zu stellen. Es ist noch nichts in trockenen Tüchern, aber vielleicht machen wir zusammen auch noch ein kleines Preisausschreiben.
Reiter der Schwarzen Sonne von Swen Harder gibt es selbstverständlich direkt beim Mantikore-Verlag oder über Amazon.de. Mit playharder.de betreibt der Autor eine eigene Webseite. Besagten Fufu Frauenwahl, den Illustratoren, findet man im Internet unter http://www.fufufrauenwahl.com.
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