Artikelformat

Narrativa: Vorbestellungen – Geiz ist ungeil?

Narrativa: Italienische Ausgaben (Image: Ulisses Spiele)

Narrativa: Italienische Ausgaben (Image: Ulisses Spiele)

Ulisses Spiele. 300 – This is Ulisses Spiele! Bei den heiligen Würfeln, die Vorbestellungen sind eröffnet. Die angekündigten Narrativa-Spiele sind jetzt vorbestellbar. Im Verlags-Shop kosten die drei Indie-Rollenspiele Stets zu Diensten, Meister!, Montsegur 1244 und Hunde im Garten des Herrn aktuell jeweils 69,95 € (voraussichtlich ab dem 12.05.14 dann 79,95 €). Das Narrativa-Komplettset für 200 € beinhaltet als Bonus noch einen exklusiven Soundtrack.

Machen wir nicht lange rum. Das sind Sammlerpreise! Die glorreichen Drei sind allerdings feist ausgestattet und enthalten praktisch alles, was man zum Spielen braucht, einschließlich etwaiger Bleistifte. Gamer Porno – ich finde das bislang gesehene Spielmaterial ziemlich „geil“. Und zumindest Montsegur 1244 kommt ins Haus. Da fehlt mir ohnehin das Original.

Ab dem 12. Mai sollen die PDFs für jeweils 14,99 Euro im E-Book-Shop erhältlich sein. Das ist dann wohl das Angebot für Sparfüchse und nicht „für russische Oligarchen„, wie Blognachbar Tagschatten findet.

Ich bin mit Markus Plötz, dem Chef von Ulisses Spiele, befreundet und auch mit André Wiesler, dem Übersetzer und Projektleiter, sprach ich mehrfach über dieses Ausnahmeprojekt. Im Hauptquartier von Ulisses hatte ich sowohl die italienischen Originale als auch ein Mock-Up einer deutschen Ausgabe in der Hand.

Über Pathfinder (dt. – auch Ulisses Spiele) sage ich an dieser Stelle nicht mehr viel. Es hat sich nichts geändert, abgesehen von dem wegweisenden Produkt- und Community-Management saugt dieser D&D 3.X-Klon gewaltig. Alter Wein in neuen Schläuchen und ich kann das Konzept schlicht und ergreifend nicht ab, aber Pathfinder ist erfolgreich. Vermutlich nicht nur in den zwei befreundeten Läden wird das Grundregelwerk (nicht die Box) sogar als Einsteiger-Rollenspiel verkauft. Hilfe, soweit sind wir gekommen. Als Gelegenheits-Dungeonkriecher sehne ich geradezu D&D Next herbei, damit sich der Branchenprimus endlich weiter entwickelt und nicht weiter auf der Stelle tritt. Ich rechne mit weitreichenden Impulsen für den ganzen Rollenspielmarkt.

Schon zu Beginn der persönlichen Diskussionen mit den Ulissianern war mir klar, dass ich ihr Narrativa-Experiment sehr schätze. Geiz ist eben nicht geil. Und Shadowrun-Jubelpreise mit 19,95 € für ein 500-seitiges Vollfarbregelwerk halte ich für fragwürdig, weil dies die ökonomische Grundlage kleiner Rollenspiel-Verlage angreifen kann. Machen wir uns nichts vor, niemand der ernsthaft Shadowrun spielt, wird die Sechste Welt als Einsteigerspiel sinnvoll empfehlen (können). Andere Systeme – ja, auch das Star Wars: Edge of the Empire Beginner Game sind zugänglicher, selbst wenn sie ärgerlicherweise ein verzerrtes Bild von Rollenspielen erzeugen und nach rund 4 Stunden sukzessive immer überflüssiger werden.

Die Narrativa-Rollen-, oder eher Erzählspiele wird es ausschließlich beim Hersteller geben und die Auflage von 300 halte ich für eine „echte(re) Limitierung“. In Anbetracht der Rahmenbedingungen halte ich „streng“ auf 1000 begrenzte Cthulhu-Firlefanzerbücher für unerfreuliches Blendwerk. Die deutschen Produkte sind mit viel Liebe gemacht, aber der Markt gibt lediglich eine überschaubare Zahl von Mythos-Käufern her. Eine normale (verkaufte?) Auflage dürfte schätzungsweise nicht weit über 1000 oder 1500 liegen – Ausnahme, vermutlich die Grundregelwerke. Ich wette, dass z. B. von Der Eine Ring zwischen 500 – 1000 Stück verkauft wurden. Was soll dann eine 1000er-Limitierung? Deutsches Cthulhu macht mir immer wieder sehr viel Spaß, aber diese eigenwillig wirkende Geschäftspolitik irritiert mich immer wieder. Es handelt sich um eine langjährige Serie und nicht um Einzelspiele. Wer zu spät kommt, darf jetzt für die Traumlande weit über 100 oder 150 € berappen, wenn ein richtiges Buch präferiert wird. Nicht sehr schön.

Ich bin gespannt, ob das Sammlerkonzept von Narrativa aufgeht. Auf jeden Fall sind schon die italienischen Ausgaben nicht mit den englischsprachigen Originalen vergleichbar und Ulisses Spiele setzt mit seiner Luxusausstattung noch einen drauf. Sollte der gewählte Manufakturansatz funktionieren, rechne ich mit weiteren Indies aus dieser Ecke und hoffentlich in vergleichbarer Aufmachung. Apocalypse World oder Dungeon World würde ich sehr begrüßen. Dennoch wären auch Mittelstandsausgaben etwa als POD (Print-on-Demand) sehr wünschenswert, finde ich. The Onyx Path (World of Darkness) macht es vor.

Das Schwarze Auge, Pathfinder und auch das unselige Iron Kingdoms sind nach meinem Geschmack eher „Unrollenspiele“ für Auswendiglerner, Freizeitregelanwälte und Puppenschieber. Die Narrativa-Spiele vertreten nach meinem Dafürhalten einen deutlich (regel-)leichteren und kreativeren Ansatz. Anstelle des ansonsten verbreiteten Wiederkäuens unterstützen sie die kollaborative Entwicklung eigener Ideen mit überschaubaren Mitteln. Wie unschwer zu erkennen ist, bevorzuge ich in den allermeisten Fällen letztere Variante. Hintergrunds- und Regelzeloten empfinde ich als überaus anstrengend. Mir bereitet es schlicht und ergreifend mehr Freude, mit anderen gemeinsam etwas am Spieltisch zu entwickeln, als bloß „nachzuerzählen“ oder gar abzulesen. So sehe ich das … (andere Spieltische, andere Sitten – nichtsdestotrotz viel Vergnügen in Aventurien, Golarion usw.)

Alleine deshalb bin ich dem Projekt sehr zugetan, vielleicht gelingt es Ulisses Spiele etwas mehr Aufmerksamkeit auf diese alternative Hobbyperspektive zu lenken. Dies darf sich dann ruhig auszahlen.

Ob der gewählte hochpreisige Weg allerdings aufgehen wird, darüber kann vortrefflich gestritten werden. Rollenspielbücher sind gemeinhin Gebrauchsgegenstände und Deluxe-Editionen widersprechen gefühlsmäßig der häufigen Verwendung. Sie landen doch eher im Sammlerregal.

Ich warte ab und verliere womöglich eine Wette mit Markus. Ein Rollenspielbuch wie Stets zu Diensten, Meister! hatte ich zuvor in über 30 Jahren noch nicht in der Hand. Ich bin sehr gespannt!

PS: Im Übrigen gefällt mir der offiziell gewählte Titel Hunde im Garten des Herrn besser als etwa Hunde im Weinberg des Herrn, aber das ist Geschmacksache. Hunde im Weinberg? Nee, eine 1:1-Übersetzung von Dogs of the Vineyard macht meines Erachtens wenig Sinn.

via: Tagschatten

Weitere interessante Artikel?

  1. Narrativa: Elektronische Ausgaben zur Role Play Convention
  2. Narrativa – Mehr Erzählspiele, bitteschön!
  3. Apocalypse World: Dark Age First Look
  4. Das Schwarze Auge 5: Evolution statt Revolution
  5. Ulisses Spiele: „Das Schwarze Auge“ auf der SPIEL ’12

5 Kommentare