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Zero Dark Thirty: Spiel mir das Lied vom War on Terror

Zero Dark Thirty, der aktuelle Action-Thriller von Kathryn Bigelow (The Hurt Locker, Near Dark, etc.) nach einem Drehbuch von Mark Boal. Die USA schicken ihre Häscher(-innen) los, um erfolgreich den Terroristen Osama bin Laden zu beseitigen.

„Auch nach 10 Jahren hat eine Frau
die Jagd nach dem meistgesuchten Mann
der Geschichte nicht aufgegeben“
Zero Dark Thirty Werbeslogan

Short Review – Kurzkritik:

Eine starke Frau zeigt den Männern des amerikanischen Geheimdienstes, wo es im Kampf gegen den Terror langgeht. Andere machen sich die Finger schmutzig und schließlich wird ebenso eindrücklich wie fragwürdig der Siegeswillen der Supermacht beschworen.

Preliminary Remarks – Vorbemerkungen:

Die Filme von Kathryn Bigelow tauchen immer wieder vor meinen filmischen Augen auf. Ich erinnere an Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis (hervorragender Vampierfilm), Gefährliche Brandung (Point Break, Actionfilm), Strange Days (Science Fiction-Thriller) und zuletzt Tödliches Kommando – The Hurt Locker (Kriegsdrama).
Der Spieledesigner Robin D. Laws setzt sich spielerisch mit Zero Dark Thirty and GUMSHOE auseinander. Er setzt die Agentenprozedur in einen Rollenspielkontext. Der selbst ernannte Geheimdienstspezialist unterstellt dem Film gar eine gewisse Realitätsnähe, sobald er das Gesehene mit „… the film, as it ought, sets aside the conventions of fictional investigation for the less assuring contours of real life.“ kommentiert. Dies war der letzte Beweggrund, sich mit dem neuen Werk der Dame aus Hollywood näher zu beschäftigen.

„Ammar: Please help me.
Maya: You can help yourself by being truthful.“
Zero Dark Thirty

Plot, Story – Handlung, Geschichte:

Nach dem 11. September 2011 eröffnen die USA ihren War on Terror. Eine frischgebackene Analystin des C.I.A., Maya (Jessica Chastain), nimmt in Pakistan die Jagd nach Osama Bin Laden auf. Sie tritt ihren Job als Nachwuchs- und Aushilfsfolterknecht in einem Geheimgefängnis (Black Site) an. Einsperren, Waterboarding, Erniedrigungen und Schlafentzug gehören zum Geschäft. Zuckerbrot und Peitsche: Beantwortet der Gefangene artig die Fragen, dann gibt es Erleichterungen für ihn und wenn nicht, dann werden die Misshandlungen fortgesetzt. Die Protagonistin schlägt nie selbst zu, das machen andere für sie.
Jessica, ihre Kollegin und „einzige Freundin“, kommt bei einem Attentat um. Der smarte Knochenschänder, Dan (Jason Clarke), kehrt ausgelaugt zurück in die Staaten. Zwischendurch werden einige Attentate in Islamabad, Camp Chapman, London und auf die Protagonistin eingestreut.

Das Geschehen zentriert sich immer mehr auf Maya, die beharrliche Analystin, die Verhöre und Folter minutiös auswertet und messerscharf ihre Schlüsse zieht. Eine Spur in der Sackgasse löst sie auf, indem sie erkennt, dass der tot geglaubte Bote Abu Ahmed noch lebt und tatsächlich Ibrahim Sayeeds heißt. Dan besticht daraufhin einen kuwaitischen Geschäftsmann mit einem Lamborghini und erhält im Gegenzug die Telefonnummer der Mutter des Gesuchten. Ein Anrufer verhält sich verdächtig, er ruft immer wieder von verschiedenen Orten kurz an. Maya treibt ihre Vorgesetzten vor sich her und fordert die Verfolgung wieder aufzunehmen. Die Beschattung des Kuriers führt schlussendlich zu einem stark gesicherten Gebäudekomplex in Abbottabad.

Überzeugt davon am Ziel zu sein, setzt sie ihre Vorgesetzten weiter unter Druck und widerspricht anderen Beratern, die davon ausgehen, dass sich der gesuchte Terroristenführer lediglich zu 60-80% dort aufhält. Trotz aller ergebnisarmen Aufklärungsmaßnahmen behauptet sie, der terroristische Vordenker der al-Qaida, Osama bin Laden, verstecke sich dort zu 100%. Sie verfügt offenbar über eine Deduktionskraft, die weit über die Fähigkeit des legendären Sherlock Holmes hinausgeht. Ihre Vorgesetzten vertrauen ihr und geben zögernd den Auftrag zur Eliminierung.
Ein spezialisiertes Killteam fliegt eine halbe Stunde nach Mitternacht (Zero Dark Thirty) am 02. Mai 2011 an diesen Ort und erledigt die Aufgabe. Die Zielperson und einige ihrer Begleiter werden getötet.
Am Ende wird die „wichtige“ Dame alleine in einer großen Militärmaschine ausgeflogen. Einige Krokodilstränen bahnen sich ihren Weg.

Style – Stil:

Kathryn Bigelow versteht ihr Handwerk. Das hat sie schon zu Genüge bewiesen. Die 157 Minuten des Flims machen keine Ausnahme. Das Szenenbild und die Kamera sitzen. Filmisch wird auf Authentizität gesetzt, wenn man so will auf ambitionierte oder bemühte Realitätsnähe. Besonders der abschließende Angriff auf das Lager verströmt einen So-kann-es-gewesen-sein-Charme. Diese Wahrnehmung wird durch einen zurückhaltenden Einsatz von Filmmusik unterstützt.
Doch bleibt die „Spieldokumentation“ sowohl schauspielerisch als auch erzählerisch weit hinter den Möglichkeiten. Die Schauspieler wirken – insbesondere die Hauptdarstellerin, Jessica Chastain, irgendwie aufgesetzt. Maya ist weder besessen noch mechanisch kalt analytisch. Als ihre Freundin umkommt, sitzt sie am Boden und starrt ins Leere, am Ende fließen ein paar leere Tränen. Keine Spur einer Charakterentwicklung weder ein Verhärten noch eine andere nachvollziehbare emotionale Entfaltung. Sie und die anderen Jäger, Gejagte und Gefolterte bleiben phrasenhafte Hüllen. Die Regisseurin löst nicht ein, was ihr Verhörmeister anfangs verspricht.

“Dan: Everyone breaks in the end, it’s biology.”
Zero Dark Thirty

Final Verdict – Fazit:

Viel Rauch um sehr wenig. Der Film hat so seine Momente, doch unterm Strich bleibt außer ein paar Zitaten nicht viel übrig. Er fügt der allgegenwärtigen Fernsehberichterstattung wenig hinzu.
„The revolution will not be televised, but the enemy and the war on terror is nearly always on screen.“
Die so oft hervorgehobene schonungslosen Folterszenen sind lediglich eine planvolle Annotation mit Schau- und absehbaren Provokationswert. Kein Gefühl der Entropie und Willkür. Die „Heldin“ bietet die Tugend der Beharrlichkeit und schickt als Schreibtischtäterin zumeist andere in den Sumpf aus Gewalt, Korruption und Machthunger. Sie zieht cool ihr Ding bis zum Ende durch. Die oft langatmige Zusammenfassung der Geschehnisse in Spielfilmformat legt die subliminale Botschaft nahe: Leg Dich nicht mit den USA an. Diese Supermacht scheut keine Kosten, Mühen oder Folterungen, um Dich auszuschalten. Selbst Pyrrhussiege sind ein Erfolg, dafür nimmt man auch ein paar Zugeständnisse für den „aufgeklärten“ Zuschauer in Kauf. Schließlich gibt auch die Kirche mittlerweile zu, dass die Erde keine Scheibe ist. Also warum verschweigen, dass im symmetrischen oder asymmetrischen Krieg Menschen allseits gepeinigt und getötet werden. Einige nichtssagende und vergängliche Tränen von Maya sind die einzigen Hinterlassenschaften in diesem Film.

Ich bezeichne so etwas als Propaganda 2.0.

Unter diesem Gesichtspunkt macht der „smarte“ Zero Dark Thirty durchaus Sinn.

“C.I.A. Employee: I think she’s smart.
C.I.A. Director: We’re all smart.”
Zero Dark Thirty

P.S.: Gegenwärtig beklagt die US-Armee mehr Selbstmorde als gefallene Soldaten im Kampfeinsatz. Im Tal von Elah und Die letzte Kriegerin setzen sich mit „dem Krieg“ und „schonungsloser“ Darstellung von Gewalt reflektierter auseinander als Zero Dark Thirty.

Ich denke, dass Rollenspiel Unknown Armies eignet sich unter Umständen für eine spielerische Auseinandersetzung mit einem dementsprechend inhaltlich und psychologisch komplexen Thema, falls man sich so etwas zutraut. (Grey Ranks, anyone?)

The Good – Dinge, die mir gefielen:

(ja, einige The Good-Zuordnungen sind schwierig)
+ Einige Dialoge sind durchaus gelungen
+ Verhaltener Einsatz von Musik
+ Der tatsächliche Angriff entspricht nicht einem typischen Gefecht in einem Action-Film
+ Der Film zeigt den Terroristenanführer nicht. Es bleibt eine Restungewissheit

The Bad – Dinge, die mir nicht gefallen:

– Schwache Schauspieler oder Skript, nahezu keine Charakterentwicklung (über Jahre)
– „Beiläufigkeit“ von Folter – ohne weitreichende Folgen für Täter und Opfer
– Als Dokumentation zu viel Spielfilm, als Spielfilm zu viel Dokumentation(-scharakter)
– Meistgesucht, oder nicht? Es braucht wohl etwas mehr als eine Frau, die ihren Mann steht, um den Anführer der gefürchtetsten Terrororganisation der Welt zu fassen töten.
– Die unterschwellige Botschaft der „unbesiegbaren“ USA, kein Kontext zur gegenwärtig erreichten Lage

The Ugly – Dinge, die ich (noch) nicht bewerte:

~ 157 Minuten Länge, die nicht immer „spannend“ oder sehenswert sind
~ Der Angriff nimmt ca. 20-30 Minuten des Films ein.

Abschließend ein in meinen Augen sehr passendes Zitat von Ben Harper:

„I see your mouth moving
But there’s a circus coming out
Always busy proving
What the world is all about
It’s no use looking you in the eye
I don’t believe a word you say“
Ben Harper with Charlie Musselwhite – I Don’t Believe A Word You Say

Quellen:
Zero Dark Thirty-Homepage
Zero Dark Thirty and GUMSHOE
Mehr Selbstmorde als Tote im Kampfeinsatz (Tagesschau)
Ben Harper with Charlie Musselwhite

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