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Wochenendkrieger: Eskapismus nur für Helden?

Wochenendkrieger: Premiere des Films über Live Action Role Playing (LARP) (Privates Foto vor der Aufführung)

Wochenendkrieger: Premiere des Films über Live Action Role Playing (LARP) (Privates Foto vor der Aufführung)

Wochenendkrieger. Das Ende der Premiere der Dokumentation über LARP (Live Action Role Playing) von Andreas Geiger liegt wenige Stunden zurück. Der Regisseur, der Produzent und eine „Hauptdokumentierte“ nahmen unter anderem an der Erstaufführung im Stuttgarter Artelier am Bollwerk persönlich teil.

tl;dr. Die Dokumentation Wochenendkrieger von Andreas Geiger reflektiert die Imaginationskraft und das Geltungsbedürfnis einiger weniger Live-Rollenspieler. Die Vielgestaltigkeit und der Kontext bleiben indes weitestgehend auf der Strecke. Gute Idee, zwiespältige Umsetzung.

Worum gehts. Die Wirklichkeitsflucht von fünf Heldinnen und Helden wird in rund 94 Minuten eingefangen und festgehalten. Der Film folgt in episodenhaften Stippvisiten seinen Protagonisten in ihren Alltag und in die Anderswelt ihrer Live Action Role Playing Conventions – vorwiegend allerdings dem bekannten Conquest of Mythodea. Die arg stereotype Handlung eines dieser Spielertreffen bildet den erzählerischen Rahmen. Hier die guten Menschen und Elfen – dort die bösen Untoten und die mysteriöse Herrin der Leere …

Kurze Einblicke, Interviews und Spielszenen fließen stetig ineinander. Engagement und Eskapismus liegen eng beieinander. Durch das ganze Geschehen mäandern hölzern wirkende Ansprachen an das in diesem Film sträflich vernachlässigte LARP-Volk. Nichtsdestoweniger veranschaulichen diese Szenen deutlich den fantasievollen Laienspielcharakter und den ausgeprägten Selbstdarstellungswillen dieses Milieus.

Präsentation. Der filmische Aufwand mit Erzähler, die Auswahl der Musik, das Sounddesign und und die hingebungsvollen Zwischengrafiken zur Erläuterung der Spielhandlung lassen handwerklich wenig Wünsche offen. Stilistisch gibt es wenig zu beanstanden.

Wochenendkrieger, wollt ihr alle Anführer und Helden sein?

Inhalt. Der Stil bildet freilich nur eine Säule einer Geschichte. Wie sieht es hingegen mit der für eine Reportage unerlässlichen Substanz aus? Hier wird sehr schnell deutlich, dass der Regisseur selbst über wenig Erfahrung als LARPer oder gar als „richtiger“ Rollenspieler verfügt. Die Historie, die Zusammenhänge zwischen Tischrollenspiel, historischem Reenactment, Improvisationstheater und eben Liverollenspiel werden nicht einmal angedeutet.

Psychologische und soziologische Aspekte spiegeln sich ausschließlich unkommentiert in den Aussagen der Beobachteten wieder. Etwas platt ausgedrückt, in der täglichen Lebenswirklichkeit spielen wir alle unsere Rollen als Parteisoldat, Lehrerin oder Partner(-in). Alle Menschen sehnen sich nach etwas Größerem und wir wollen alle Helden sein.
Entsprechend hangelt sich die Dokumentation von einer Überfigur zur nächsten. Die Elfenkönigin, der Untotenfürst, der Erzmagier, der Gärtner der öligen Pestilenz und die Herrin der Leere legen nahe, dass auch im Liverollenspiel die Geschichte von Gewinnern geschrieben wird.
In der Bildsprache des Herrn des Ringe bedeutete dies, alle spielen so jemanden wie Galadriel, Gandalf oder Saruman.
Die vielgestaltigen subjektiven kleinen Erlebnisse, Anekdoten und Geschichtchen des gemeinen Fussvolks, also der vielen mit Begeisterung entwickelten, hier jedoch „namens- und gesichtslosen“ Krieger, Zauberer und anderen Mitspieler sind keine nähere Beobachtung wert. Sie bleiben Staffage.

Rollenspieler wissen jedoch um das Eigenleben zwischen Abenteuer, Plotplanung und Spielerlebnis. Kein Szenario übersteht die Begegnung mit den Spielern ungerührt. Wichtige Hauptfiguren und -Handlungen verwandeln sich sehr schnell zu einer Nebensache und die Spieler ziehen ihr eigenes Ding durch.

Diese Lebendigkeit, die Rollenspiel auszeichnet, wird an keiner Stelle deutlich. Wesentliche Konzepte wie Spieler-, Nichtspielercharaktere und Spielleitung verschwinden in Nebensätzen oder in Erklärungen nach der Aufführung.

Live Action Role Playing – Andere Lebensentwürfe

Verdikt. Wer sich für menschliche Begeisterungsfähigkeit, Vorstellungskraft und teilweise adrette Fantasykostümierungen interessiert, findet in der Gebrüder Beetz Filmproduktion Wochenendkrieger eine ansehnliche – erste – Anlaufstelle.

Diejenigen, die sich hingegen über Rollenspiel mit oder ohne Präfix Live informieren möchten, sind hier an der falschen Adresse. Die Regiearbeit von Andreas Geiger lässt schlicht und ergreifend die notwendige Breite und Tiefe vermissen.

„Put the freaks upfront“ oder „ich möchte Führungspersönlichkeit einer sozialen Randgrube sein“, liefert bedauerlicherweise lediglich eindimensionale und verzerrte Einblicke, die dem reichhaltigen Hobby und Thema (Live Action) Role Playing nicht ausreichend gerecht werden.

Wer will, liest zunächst den Wikipedia-Artikel Live Action Role Playing und geht anschließend ins Kino, um diesen Worten mit Wochenendkrieger einige gefällige Bewegtbilder hinzuzufügen. (Es geht aber auch ohne.)

Knapp vorbei, ist auch daneben. Schade, da geht noch viel mehr.

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