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Drachenväter: Ein Interview mit Tom Hillenbrand

Drachenväter (Die Autoren/Drachenschreiber Konrad Lischka (links) und Tom Hillenbrand)

Drachenväter (Die Autoren Konrad Lischka (links) und Tom Hillenbrand)

Drachenväter. Die beiden Journalisten Konrad Lischka und Tom Hillenbrand (beide Spiegel Online) setzen dem Hobby Rollenspiel mit ihrem voraussichtlich im Frühjahr 2014 erscheinenden Buch ein persönliches Denkmal.
 
Auf den voraussichtlich 320 Seiten von Drachenväter stehen die rund vierzigjährige Kulturgeschichte des Rollenspiels und die Folgen im Mittelpunkt der Betrachtung. Ihre These ist ebenso einfach wie deutlich. Ohne „Dungeons & Dragons“ wäre beispielsweise „World of Warcraft“ (kurz WoW) undenkbar.
 
Der Autor Tom Hillenbrand nahm sich etwas Zeit, um einige Fragen über das Projekt und den persönlichen Bezug zum Thema Rollenspiel zu beantworten.
 
Zum Einstieg gebt uns bitte einen kurzen Überblick (Elevator Pitch) über Euer Crowdfunding-Projekt „Drachenväter“ und eure Motivation.
 
Drachenväter beschreibt, wie Rollenspiele aus frühen Simulationsspielen und phantastischer Literatur entstanden sind. Das Buch zeichnet die großen Entwicklungslinien nach und erzählt die Geschichte wichtiger Spiele wie D&D oder DSA. Wir beschreiben, wie diese Spiele zu einem globalen Phänomen wurden, das unsere Kultur nachhaltig beeinflusst hat. Flankiert wird diese Kulturgeschichte von Dutzenden Bildern – alte Conventions, Cover, Illustrationen. Alles in Farbe, auf über 300 großformatigen Seiten. So opulent gab es das noch nie.
 
Wie seit Ihr zu diesem Hobby gekommen und was fasziniert Euch noch immer daran?
 
Wir spielen seit den Achtzigern (Tom), beziehungsweise seit den Neunzigern (Konrad) und sind beide damals über Schulfreunde an die ersten Rollenspiele geraten. Seitdem hat es uns nicht wieder losgelassen, denn trotz des Aufstiegs der Computerspiele gibt es nach wie vor nichts, was mit Pen&Paper vergleichbar ist. Die völlige Entscheidungsfreiheit Deiner Figur, die Interaktion mit anderen Spielern, das gibt es sonst nirgendwo.
Drachenväter. Die Geschichte es Rollenspiels (von Konrad Lischka und Tom Hillenbrand)

Drachenväter. Die Geschichte es Rollenspiels (von Konrad Lischka und Tom Hillenbrand)


Wieso verbindet Ihr die eher offene Erzähltradition des Tischrollenspiels mit den vorgegeben Pfaden von Computerspielen? Was zeichnet beide Ansätze aus Eurer Sicht besonders aus?
 
Unser Buch ist ja letztlich eine Kulturgeschichte. Wir beschreiben, wie eine Spieltradition oder Entwicklung zur nächsten geführt hat. Die ersten Rollenspieler wie Wesely, Gygax oder Arneson haben viel Fantasy gelesen – Howard, Leiber, Tolkien – und sie haben Militärsimulationen gespielt. Das sind die beiden Dinge, die letztlich zu Tischrollenspielen verschmolzen sind.
Computerrollenspiele bieten zwar viel weniger Freiheitsgrade, und die meisten P&P-Fans würden ihre Runde niemals gegen WoW eintauschen, weil ihnen das zu stumpf ist. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Computerspiele von den Offline-Rollenspielen abstammen. Die ganzen Jungs, die später die ersten Adventures und RPGs für den Rechner programmiert haben, hatten ja alle vorher D&D gespielt. Die sind ja nicht von selbst drauf gekommen, dass es Charakterklassen, Stufen, Fertigkeiten oder Magiepunkte gibt.
 
Und wenn man sich ansieht, wo viele Leute aus Spieleverlagen später hingegangen sind, dann gibt es auch da eine ganz klare Verbindung. Warren Spector hat für Steve Jackson Games gearbeitet und bei TSR Spelljammer betreut, bevor er Computerspielklassiker wie “Deus Ex”, “Thief” oder “System Shock” entwickelte. Sandy Petersen, der “Call of Cthulhu” geschrieben hat, war später federführend an der Entwicklung von “Doom” beteiligt. Da muss man durch Verliese laufen und Monster töten. Wo hat er das wohl her? Ian Livingston, der Mitbegründer von Games Workshop, hat später an “Tomb Raider” mitgearbeitet.
Insofern muss man sagen: ohne D&D keine Computer Rollenspiele, keine Adventures, nicht mal “Farmville”. Denn sogar da hat dein Gärtner ein Level, Fertigkeiten und ein bescheuerten Stufentitel, wie damals bei D&D. Man könnte noch weitergehen und behaupten, dass die ganze Idee, mit einem Avatar durch eine virtuelle Welt zu laufen, letztlich aus den P&P-Rollenspielen stammt.
 
Drachenväter (Bereitgestellt durch die Autoren)

Drachenväter (Bereitgestellt durch die Autoren)

Auf welche Kapitel (z. B. Interviews) in Drachenväter seit Ihr besonders stolz und was würdet Ihr im Nachhinein vermutlich anders machen.
 
Es hat sehr großen Spaß gemacht, die Anfänge unseres Hobbys minutiös zu recherchieren und aufzuschreiben. Das sind zum einen die Kapitel über D&D, aber auch das über die Entstehung des Fantasyvereins FOLLOW und die Entwicklung von “Midgard”, dem ersten deutschen Rollenspiel. Das tolle daran war, dass sehr viele der damaligen Akteure noch am Leben sind und uns bereitwillig Auskunft gaben. Wir haben sogar mit dem Typen gesprochen, der für Gygax in den Siebzigern die Würfelsets in die ersten D&D-Boxen gepackt hat. Man hat selten die Möglichkeit, ein Thema so auszurecherchieren.
Wir haben mit weit über 40 Leuten Interviews geführt, und das ist vielleicht auch das, wo ein leichtes Bedauern zurückbleibt: Wir hätten gerne mit noch viel mehr Veteranen gesprochen. Wie immer bei so einer Monsterrecherche entdeckst Du ständig weitere interessante Verästelungen, denen man noch nachgehen könnte. Aber andererseits muss man ja irgendwann auch mal fertig werden.
 
Welche Genre (Fantasy, Sci-fi, Horror, usw. ) und Spielstile (Old School, Indie, Action Adventure, usw.) ziehen euch persönlich am meisten an?
 
Schwer zu sagen, wir haben schon so ziemlich alles gespielt. Wir waren ganz große Fans der alten World of Darkness und halten CoC nach wie vor für eines der besten Rollenspiele, das es gibt. Aber wir spielen auch viel Fantasy, weil das einfach der kleinste gemeinsame Nenner ist. Von der Old-School-Welle haben wir nicht so viel mitgenommen – schlichtweg, weil wir inzwischen nicht mehr so viel Zeit haben.
Was aber auffällig ist: Viele der aktuellen Regelsysteme sind selbst für einen langjährigen Spieler ein bisschen abschreckend. Die letzte DSA-Edition war sehr umfänglich, Pathfinder hat über 400 Seiten –  öff! Gerade reifere Spieler müssten doch eigentlich mit weniger Regeln auskommen, sollte man meinen. Und Neulinge werden durch solche Folianten abgeschreckt. Wir brauchen wieder Regelsysteme die gleichzeitig elegant und raffiniert sind, möglichst mit unter 100 Seiten Regeltext.
 
Eine handvoll Rollenspiele für die einsame Insel: Welche würdet ihr mitnehmen – vorausgesetzt ausreichend MitspielerInnen und die passende Technik wäre vorhanden.
 
Das Spielerhandbuch der Third Edition von D&D, eines der besten Regelbücher aller Zeiten. Dann noch “Call of Cthulhu”, am besten die alte GW-Ausgabe, da sind nämlich auch noch neun Abenteuer drin. Und zur Sicherheit noch ein GURPS-Basisbuch, für alle anderen Genres, die einem unter der Kokospalme vielleicht noch einfallen.
 
Nach der ganzen Historie, wie seht Ihr die Zukunft des Rollenspiels? Habt Ihr diesbezüglich irgendwelche Wünsche?
 
Pen&Paper (kurz P&P) ist bis heute ungeschlagen, was die Freiheitsgrade und das Miteinanderspielen angeht. Das ist zwar nur noch einer kleinen Gruppe von Spielern die Mühe (Verabreden, DM finden usw.) wert, aber Menschen werden noch lange P&P spielen. Wir denken, zwar dass der Siegeszug des Computers unaufhaltbar ist. Aber so lange man in virtuellen Realitäten nicht so mit Mitspielern interagieren kann wie heute am Küchentisch, hat P&P immer noch seinen ganz eigenen Reiz. Das dauert wohl noch 20 Jahre. Die Zukunft des P&P wurde er ironischerweise für alle Zeiten dadurch gesichert, dass wie Wizards of the Coast die Regeln von D&D in die Public Domain gekippt hat. Selbst wenn morgen alle Spieleverlage pleite gehen, können wir problemlos weiter spielen.
 
Plant Ihr weitere Projekte in dieser Richtung?
 
Drachenväter erfordert erstmal unsere volle Aufmerksamkeit. Es ist ja auch unser erstes Crowdfunding-Projekt, deshalb müssen wir erst mal sehen, wie es läuft. Wir würden aber gerne noch eine englische Version des Buches nachschieben, möglichst schon im kommenden Jahr.
 
Vielen Dank für dieses Interview und viel Erfolg für Euer Projekt! Eure Gelegenheit für ein paar abschließende Worte …
 
Es gibt viele Leute, die sagen P&P sei am Ende, aber wir haben bei diesem Projekt gemerkt, dass das völliger Blödsinn ist. Es gibt da draußen unglaublich viele engagierte kleine Verlage, Spieledesigner und Fans, die immer noch richtig was los machen. Dank des Internets können die sich alle einfach vernetzen, die Szene ist sehr lebhaft. Wir sind sehr dankbar für das Interesse des Publikums und auch für die Bereitschaft fast aller Spieledesigner, die wir kontaktiert haben, mit uns über die Historie zu sprechen. Ken St. Andre, Steve Perrin, Werner Fuchs –  wir durften mit den ganzen Helden unserer Jugend sprechen, das war ein Nerdtraum.
 
Rollenspiel kommt in den Medien nicht immer wirklich gut weg. Einerseits sind einige Artikel schlicht und ergreifend schlecht recherchiert, andere folgen noch immer den reißerischen Pfade der „Rollenspielhexenjagd“. Ein wenig fachkundige Aufklärung schadet mit Sicherheit nicht. Es ist schön zu sehen, wenn Sachkenntnis mit Enthusiasmus Hand in Hand geht.
 
Der Aussage „Wir brauchen wieder Regelsysteme die gleichzeitig elegant und raffiniert sind, möglichst mit unter 100 Seiten Regeltext.“, pflichte ich im Übrigen voll und ganz bei. Es gibt genug widerspenstige Folianten mit rund 500 Seiten, die nicht einmal spielfertiges Material wie etwa Abenteuer beinhalten. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …
 
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Projekts oder direkt auf der Schwarmfinanzierungsseite Drachenväter (Startnext).
 
Ich bin dabei …

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