Politik und Spiele? Der Comicautor Alan Moore stellte in 1980ern die alte philosophische Frage „Who watches the Watchmen“ (Watchmen, DC Comics, 1986-87) in einen popkulturellen Kontext – also einige Zeit bevor das heute bekannte Internet, die Welt zu verändern begann. Diese bedeutende Frage gewinnt an Dringlichkeit. Sofern man der aktuellen Presse glauben schenken will, bespitzeln sowohl amerikanische als auch britische Geheimdienste die Bevölkerung selbst in Spieleangeboten wie World of Warcraft, XBOX Live und Second Life. Nein, dies ist keine wirre Vermutung einiger Videospielverschwörungstheoretiker, sondern ein Thema, das ernsthaft in der Weltpresse erörtert wird. Ein Artikel der Online-Ausgabe des Videospielmagazins M! Games (Maniac.de) verweist entsprechend auf The Guardian, die New York Times und ProPublica. Erwartungsgemäß berufen sich die Journalisten wieder einmal auf Dokumente, die Edward Snowden in den Umlauf gebracht haben soll.
Unter dem Vorwand der vermeintlich allgegenwärtigen Terrorgefahr sprechen Geheimdienste gewissermaßen eine Generalverdächtigung aus und stellen damit ganz nebenbei die weithin gültige Unschuldsvermutung auf den Kopf. Insbesondere bleiben sie dabei der Öffentlichkeit aussagekräftige Ergebnisse oder gar Beweise schuldig. Überdies ist es kein Geheimnis mehr, dass informationsgierige Konzerne die persönlichen Daten ihrer Kunden sammeln, auswerten, verlieren und auch mal verkaufen. Diese Firmen und staatlichen Organisationen treten damit grundlegende Menschenrechte mit Füssen.
„Eine der tragenden Säulen der Demokratie ist die Unverletzlichkeit des Individuums. Doch die Würde des Menschen geht über seine Körpergrenze hinaus. Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben.
Dieses existentielle Menschenrecht ist inzwischen null und nichtig, weil Staaten und Konzerne die technologischen Entwicklungen zum Zwecke der Überwachung massiv missbrauchen.
Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen.“
– Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter (11.12.2013)
Snowden hier, Snowden dort. Trotz aller Skepsis bezüglich dieser Quellenmonokultur, nicht nur in der verspielten Blognachbarschaft regt sich der Widerstand gegen diese sich immer mehr abzeichnende institutionelle Willkür. Dementsprechend schließe ich mich dem Appell von Tagschatten an. Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter, eine unter anderem von Juli Zeh initierte Petition der Writers Against Mass Surveillance, die von insgesamt 562 Schriftstellern wie Umberto Eco, Elfriede Jelinek und Günter Grass unterstützt wird, verdient in meinen Augen mehr Unterstützung.
Wer glaubt, dass er nicht betroffen sei, weil er diese Spiele nicht nutzt, versteht nicht worum es geht.
Weitere interessante Artikel?„Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei plus zwei vier ist. Wenn das gewährt ist, folgt alles weitere.“
– 1984 von George Orwell
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