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Armes Trollland – In der Hand des pöbelnden virtuellen Lynchmobs?

Werte Leserin,
Werter Leser,

ich bin müde. Ich mag nicht mehr! Fremdscham treibt mir immer wieder die Röte ins Gesicht.
Diese Glosse verleiht meinem Unmut eine Stimme, zeichnet eine Demarkationslinie. Im großen kleinmütigen Netz der hasenherzigen Gesichtslosen zeigt manch einer überaus couragiert sein pseudonymes Alter Ego – die dreist verzerrte Fratze eines lauten flegelhaften Trollmarodeurs.

Der digitale moderne Troll, ein bemitleidenswertes affektgesteuertes Opfer seiner selbst, kennt keine Zurückhaltung. Sein enthemmter Wesenskern verlangt vielmehr, unmittelbar und überaus draufgängerisch jeder noch so übel riechenden geistigen Flatulenz nachzugeben.
Der Troll brilliert nicht mit schlagfertigen Argumenten, stattdessen erstickt der überschäumende Stänkerer abweichende Gedanken, Ideen und Meinungen bereits im Keim mit seinem giftig-faulen Vulgarismus. Auf diesem Nährboden gedeihen vorzüglich ebenso unflätige Gesinnungsgenossen anstelle einer offenen Diskussions- und vitalen Streitkultur. Die Krawallmacher folgen dabei dem irrigen Credo, wer am lautesten schreit, hat am meisten Recht.
Die durch den Schreihals angestachelte in die Hetze einstimmende rufmordende Meute verliert dabei jeglichen Anstand. Diese Spießgesellen vergessen gleichwohl, dass diejenigen, die mit Dreck werfen, mit Sicherheit diejenigen sind, die sich dreckig machen, meist gar dreckiger als alle anderen.

Der Philosoph Spinoza wusste bereits, was Paul über den Peter sagt, sagt mehr über den Paul aus als über den Peter.

Niemand verwehrt sich gegenüber einer geistreichen Kritik, insbesondere wenn diese unterhaltsam vorgetragen wird.

Augenscheinlich leiden Trolle jedoch unter einer immer weiter um sich greifenden kognitiven Dissonanz.
Meinungsfreiheit bedeutet weder, die Freiheit von Meinung noch die Freiheit unter dem Deckmantel einer Meinung Andersdenkende zu beleidigen oder zu diffamieren.

Freiheit und Verantwortung sind untrennbare Kehrseiten derselben Medaille.

Jedem Troll steht es frei, den eigenen Gedankensondermüll bei sich zu Hause in der Heimathöhle zu hegen und zu pflegen. Zumindest wir Menschen üben uns darin.
Die für das Verkippen im weltweiten Datenmeer notwendige Energie lässt sich freilich anderweitig durchaus sinnvoll nutzen. Dem misslichen Trolldasein ohne Aufmerksamkeit und Liebe kann der eine oder andere eigenständig durch das Üben von konstruktiver Kritik, von Wertschätzung oder gar persönlicher Schaffenskraft entkommen.

Trollen, die weder über diese Fähigkeit, gewitzten Charme oder eine schickliche Kinderstube verfügen, trollen sich idealerweise zur nächstbesten Lektion zum Thema Streitkultur.

Ich bin müde. Ich mag nicht mehr! Deshalb …

„Und manchmal glaube ich, dass ich zu leise bin.
Dann schrei‘ ich lauthals meine Lieder in den Wind.
Doch viel, viel lauter noch sind die, die nix zu sagen haben.
Und wenn das stimmt, dann halt‘ ich lieber mein Maul.“
Gisbert zu Knyphausen – Sommertag

PS: Weder Splittermond noch Das Schwarze Auge liegen mir sonderlich am Herzen, eher im Gegenteil …
Ich präferiere jedoch Meinungsvielfalt gegenüber Meinungseinfalt und der Ton macht die Musik!
Das räudige Verhalten so mancher Netztrolle betrachte ich schlichtweg als inakzeptabel.

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