Nachfolgend ein Interview mit Nicolai Bonczyk, dem Inhaber des Mantikore-Verlags. Der Verleger konnte bisher vor allen Dingen die Fans der Einsamer Wolf-Abenteuerspielbuchreihe von Joe Dever mit aktualisierten und ergänzten Neuausgaben beglücken. Doch die Zeiten ändern sich und der Winter naht nun auch für die Mantikore. Das etablierte Verlagsprogramm wird im kommenden Jahr nach der kalten Jahreszeit kräftig erweitert.
obskures.de: Hallo Nicolai, fangen wir einfach mit der üblichen kurzen Vorstellung und Deiner Rollenspielgeschichte an? Erster Charakter?
Nicolai: Erster Charakter? Hmm schwierig, wenn ich das wüsste – irgendwas für D.S.A der ersten Auflage. Genau kann ich mich gar nicht mehr erinnern, das ist schon sehr lange her, da ich 84 mit der Basis-Box von DSA begonnen habe und sogleich angefangen habe zu leiten. Meistens war ich Spielleiter nicht Spieler.
Wie die meisten anderen in der Zeit habe ich mit gängigen Systemen gespielt, aber auch alles Mögliche ausprobiert. Angefangen mit DSA hatte ich auch ein 1 Jahr dauerndes Intermezzo in einer D&D-Gruppe. Später folgten MERS, Cthulhu, Midgard, Rifts, Cyberpunk, Shadowrun, Kult, und nicht zu vergessen eine Vielzahl von Systemen von Freunden und vor allem eigene Systeme, die ich immer wieder leitete.
obskures.de: Erzähl bitte ein wenig über die Entstehung und den Status quo des Mantikore-Verlags?
Nicolai: Ja, gerne – den Verlag gibt es nun seit 4 Jahren und ich glaube, wir bewähren uns – für so einen kleinen Newcomer ganz gut. Entstanden ist er eigentlich aus Zufall. Während ich vor einigen Jahren noch nebenher alte Rollenspiele auf Ebay an- und verkaufte, stieß ich zufällig auf Joe Dever – den Autor der Einsamer Wolf Spielbuchreihe. Er verkaufte zu dieser Zeit seine vielen, vielen alten Bücher vom Einsamen Wolf, darunter auch viele dt. Ausgaben aus den 80ern. Ich hatte damals die Bücher aufgekauft und kam mit Joe ins Gespräch. Schnell entwickelte sich ein regelmäßiger Kontakt und so kamen wir zum Thema Einsamer Wolf. Auf die Frage, warum die Serie nicht mehr oder nicht erneut auf Deutsch aufgelegt wurde/wird, sagte er, niemand habe danach gefragt. Ich tat es – nicht lang überlegt, gründete ich den Verlag, erhielt Joes Zustimmung und erwarb die dt. Lizenzen für Einsamer Wolf.
Kaum ein halbes Jahr später erschien Band 1 – damals noch mit haarsträubenden Fehlern. Mir wurde ganz schnell klar, das man so ein Unterfangen doch ganz schön unterschätzen kann. Sofort begab ich mich auf die Suche nach fachkundigen Helfern und Mitarbeitern, die fortan die Bearbeitung der verschiedenen Bereiche übernahmen. Es gab viel zu tun – von der Bereitstellung einer Homepage mit Forum und Shop als auch natürlich die Bildung eines Teams von Übersetzern, Lektoren und Layoutern. Es ging alles nicht von heute auf morgen, aber nun einige Jahre später hat sich alles schon sehr gut eingespielt.
obskures.de: Der Verlag hat meines Wissens die deutschen Rechte für Tunnel & Trolls (bislang auch Schwerter & Dämonen) und das A Song of Ice and Fire Roleplaying (ebenfalls bekannt als Game of Thrones) erworben. Welche (persönlichen) Beziehungen zu den beiden Rollenspielen bzw. Hintergründen gibt es?
Nicolai: Paranoia hast du noch vergessen. Ja, was wäre ein Rollenspielverlag ohne Rollenspiele – auch wenn die Spielbücher unsere Hauptlinie sind, so war es natürlich nötig und wünschenswert, den Sektor Rollenspiele nicht ausser Acht zu lassen. Wir alle sind letztlich Rollenspieler. Begonnen haben wir recht schnell nach der Gründung mit dem Oldschool-Spiel Labyrinth Lord – einem D&D-Klon. Das Oldschool-Thema passte recht gut in unser Verlagsprogramm, da ja auch Spielbücher an sich „oldschool“ sind. Ein Jahr später expandierten wir dann und nahmen das fantastische und kultige Paranoia-Rollenspiel mit auf – ein Schätzchen, das einfach neu aufgelegt werden musste!!
Die beiden angesprochenen Rollenspiele sind die derzeit in der Pipeline befindlichen Projekte für 2013. Du siehst schon – wir haben nicht vor uns auf 1-2 Spiele zu konzentrieren von denen wir dann tonnenweise Bücher publizieren, vielmehr wollen wir vielen richtig guten Spielen wieder in den Markt helfen und den Rollenspielern die Möglichkeit geben, diese wieder zu spielen. Zum Spielen braucht man das Regelbuch und eine handvoll Abenteuer – nicht mehr. So war das und so ist das. Und so wird das auch immer bei uns sein!
obskures.de: Wie stehen die Chancen für die deutsche Ausgabe von Tunnel & Trolls?
Nicolai: Inwiefern? Die Lizenz ist erworben, die Arbeiten daran sind im Gange und so die Rollenspielgötter wollen, wird das Regelbuch 2013 das Licht der Welt erblicken. Oder meintest du, wie erfolgreich ich das Spiel einschätze? Nun das lässt sich schlecht sagen. Es ist oldschool – es ist Kult – es ist das nach D&D das erste Rollenspiel überhaupt und schon allein deswegen sollte man es in seiner Sammlung haben. Es war auch damals als „Schwerter und Dämonen“ eines der ersten Spiele in Deutschland – noch vor DSA. Es ist ein einfaches Spiel und das will es auch sein und Spielspaß steht bei T&T im Vordergrund. Ich denke zu unrecht wurde das Spiel so viele Jahre nicht mehr verlegt (übrigens nur in Deutschland nicht – in den USA wurde es all die Jahre verlegt und auch gespielt).
obskures.de:Die Übersetzung des A Song of Ice and Fire Roleplaying ist ein heißes Drachenglas (Eisen). Die aktuelle Buchübersetzung mit eingedeutschten Namen kommt häufig nicht so gut an. Die Fernsehadaption verwendet diese „Verunglimpfung“ ebenfalls, während die Hörbuchumsetzung der Ein Lied von Eis und Feuer-Reihe von George R. R. Martin bei der alten Übersetzung blieb (Jon Snow heißt dort z.B. nicht Jon Schnee). Woran wird sich das Rollenspiel orientieren? Unter Umständen wäre die Berücksichtigung beider Interpretationen sinnvoll. Auf diese Weise finden sich sowohl neue Fans als auch Anhänger der Erstübersetzung (bzw. Originalleser) gleichermaßen zurecht.
Nicolai: Ah ja – das ist wirklich heißes Drachenglas. Ja – das ist natürlich die Diskussion der Diskussionen und ehrlich gesagt wird man es immer falsch machen – im Sinne einer der Diskussionsparteien. Wir haben lange überlegt und die beiden Möglichkeiten gegeneinander abgewogen und dann… ach weißt du, was, ich lasse einfach mal Alex – unseren Chefübersetzer zu Wort kommen. Alex – könntest du mal kurz? …
Alex: Klar – zunächst einmal sind wir sehr dankbar dafür, dass uns Blanvalet die Erlaubnis gegeben hat, ihre Übersetzung auch für das Game-of-Thrones-Rollenspiel zu benutzen. Denn die ungünstigste Variante wäre es gewesen, wenn wir eine dritte, wieder andere Übersetzung der Eigennamen hätten anfertigen müssen. Damit wäre niemandem geholfen gewesen.
Wir sind uns über die Kontroverse bezüglich der beiden Übersetzungen von Das Lied von Eis und Feuer natürlich bewusst. Einige Mitarbeiter und Helfer des Mantikore-Verlags sind ebenfalls Fans der Buchreihe und haben sie in der alten Übersetzung kennen und lieben gelernt. Dennoch mussten wir uns für eine der beiden Varianten entscheiden, denn zwei verschiedene Buchversionen mit unterschiedlichen Übersetzungen zu produzieren, wäre rein wirtschaftlich unpraktikabel gewesen.
Ausschlaggebend war letztendlich die Tatsache, dass alle weiteren Romane der Reihe bei Blanvalet in der neuen Übersetzung erscheinen werden. Uns dagegen zu stemmen und quasi gegen Blanvalet und die aktuelle Übersetzung zu arbeiten, hätte unserer Meinung nach die Kontroverse nur unnötig angestachelt und George R. R. Martins fantastischer Buchreihe hier in Deutschland mehr Schaden als Nutzen eingebracht. Daher haben wir beschlossen, uns für das Rollenspiel an der neuen deutschen Übersetzung von Das Lied von Eis und Feuer zu orientieren.
Das Gute ist allerdings, dass die Regeln des Rollenspiels universell gelten, unabhängig von der gewählten Übersetzung. Für Spieler und Spielleiter ist es daher kein Problem, beim Spiel die alte Terminologie zu benutzen, ohne dass die Regeln dadurch beeinflußt werden. Hat sich der Spielleiter einmal in die Regeln eingearbeitet und sie verinnerlicht, so kann er die Abenteuer problemlos mit der alten Übersetzung leiten.
Wir hoffen, allen Freunden von Das Lied von Eis und Feuer spannende Unterhaltung in der Welt Westeros bieten zu können, egal ob sie Fans der ersten Stunden oder Neueinsteiger sind. Denn eines steht zweifellos fest: George R. R. Martins Das Lied von Eis und Feuer ist eines der besten Fantasy-Epen, die es gibt, und wir freuen uns durch die Veröffentlichung des Game-of-Thrones-Rollenspiels einen entscheidenden Beitrag zu George R. R. Martins Kreation leisten zu können.
obskures.de: Die Einsame Wolf-Reihe kommt in bis dato noch nicht übersetzte Gefilde. Wie fühlt sich dies an? Was bedeutet das?
Nicolai: Mann – das fühlt sich fantastisch an!!! Ich hoffe für die Fans der Reihe ebenso, aber als Verlag zeigt es natürlich auch – dass wir uns bewährt haben. Wir gehen dahin, wo große bekannte Verlage aufgehört haben, betreten Neuland und führen die Leser der Abenteuer in eine fantastische nie erblickte Welt. Das ist großartig und macht viel Spaß! Für uns alle beginnt jetzt das größte Abenteuer.
obskures.de: Wie geht es mit der gelungenen universellen Spielhilfe Schnutenbach weiter? Wann bzw. wie kommen die vom Autoren geplanten Abenteuer und Ergänzungen?
Nicolai: Ja, für Schnutenbach ist auch noch einiges geplant. Wie rasch will und kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten, aber es sei so viel gesagt – 2013 geht es weiter! Ich denke, universelle Spielhilfen wie Schnutenbach gibt es eh zu wenig, deswegen ist die Reihe eine gute Ergänzung des Verlagsportfolios.
obskures.de: Das Repertoire des Verlags wird kontinuierlich erweitert. Mittlerweile geht es auch in den Romansektor. Wohin geht die Reise? Folgen bald Karten- oder Brettspiele? Was steht generell als Nächstes an?
Nicolai: Ich will niemals nie sagen, aber auch wenn wir unser Verlagssortiment erweitern, denke ich, wir werden uns nicht zu weit in den Karten- Brettspielsektor drängen. Das ist halt noch mal etwas ganz anderes als Bücher und Rollenspiele. Aber wer weiß – für Ideen sind wir immer offen und wer weiß schon, was die Zukunft bringt.
obskures.de: Wie siehst Du die Entwicklung des Hobbies und des Rollenspielmarkts (Überalterung der Spieler, elektronische Spielmaterialien und -hilfen (ePublishing, Tablets, etc.), mehr Kleinverlage, Crowdfunding (Kickstarter))?
Nicolai: Insgesamt bin ich eigentlich recht positiv gestimmt. Na klar, es haben leider viele Rollenspielläden zugemacht und es gibt kaum noch Printmagazine, die Cons waren auch mal größer (teilweise) oder es gab welche, die es heute nicht mehr gibt… aber… es gibt mehr Spiele, und mehr Verlage, die verschiedensten Genres und noch immer eine sehr große Fangemeinde. Heutzutage muss man niemanden mehr erklären, was ein Rollenspiel ist. Das Hobby ist im Großen und Ganzen größer – nicht kleiner geworden auch wenn sich die Gewichtung (Konsolenspiele, LARP, Tabletops etc.) verändert hat. Es stimmt mich auf jeden Fall froh, zu sehen, dass es trotz aller Entwicklung noch immer den gleichen Ansatz gibt, es gibt immer noch die guten alten Pen & Papers und sogar die Spielbücher erfreuen sich jetzt wieder größerer Beliebtheit.
Obskures.de: Zum Abschluss einige kurze Fragen.
Beginnen wir mit: Abenteuerspielbücher sind … ?
Nicolai: Spitze! Nein im Ernst – spielt mehr Spielbücher! Ein weitverbreiteter Irrtum ist ja, dass dies Rollenspiele für den Notfall sind, wo man keine Mitspieler hat. Neeein – Spielbücher sind was ganz eigenes und sind auch nicht wirklich mit Soloabenteuern von Rollenspielen zu vergleichen. Das sind zwei Sachen, die ähnlich aber nicht dasselbe sind. Spielbücher vermitteln vor allem eine spannende Geschichte – so wie Romane nur das ich aktiv an ihnen teilhaben kann. Das ist ein ganz anderer Ansatz als Rollenspiele, die ihren Reiz vor allem in der Interaktion mit anderen Spielern haben. Insofern lassen sich Spielbücher mit Pen & Paper-Rollenspielen genauso wenig vergleichen wie PC-Rollenspiele mit Pen & Paper.
Obskures.de: Rollenspiel ist … ?
Nicolai: Nicht totzukriegen!
obskures.de: Erstes Abenteuerspielbuch?
Nicolai: Das war Einsamer Wolf Band 1 (1984), und wenn wir noch Soloabenteuer miteinbeziehen, wäre das dann noch das Solo aus dem DSA Basis-Set von 84 in dem man sich im Obergeschoss dieses kleinen Hauses mit Ratten einem Kobold und ich glaube einem großen Bären herumgeschlagen hat!? Kurz drauf gab es noch Nedime – die Tochter des Kalifen – das war für mich als 11-Jährigen ganz großes Kino!
obskures.de: Bestes Abenteuerspielbuch?
Nicolai: Na, Nedime! Nein, das war nur stellenweise sehr gut. Als Abenteuerspielbuch haben mir tatsächlich die Einsamer Wolf-Bände sehr gut gefallen. Vor allem die ersten beiden und Band 4. Das waren damals meine Lieblinge. Ausserdem fand ich noch Silberstern sehr gut (auch von Joe Dever) und die dt. Spielbücher „Das große Nibelungen“-Spielbuch und „Das Große Troja“-Spielbuch und „Das Große König Artus“-Spielbuch. Die fand ich klasse!
obskures.de: Erstes Rollenspiel?
Nicolai: DSA
obskures.de: Bestes Rollenspiel?
Nicolai: Ach, du liebe Güte. Ich habe lange DSA gespielt, damit steht das schon mal weit oben. Allerdings nur die erste Auflage, alles danach verlor für mich das, was das Spiel für mich ausgemacht hat. Cthulhu hab ich nicht so oft gespielt, ein paar Mal geleitet, aber immer mit vollem Einsatz, fand ich immer super! Ansonsten mochte ich MERS – nicht von den Regeln, aber vom Hintergrund und der Aufmachung. Am meisten habe ich dann aber doch meine eigenen Spiele gespielt, will nicht sagen, dass die am besten waren, aber ich habe sie halt am meisten geleitet.
obskures.de: Spielleiter oder Spieler?
Nicolai: Definitiv – Spielleiter!!
obskures.de: „Grosse“ Conventions/Messen oder „private“ (Haus-)Cons?
Nicolai: Wo man mich antrifft? Auf jeden Fall auf der RPC, der SPIEL und eventuell auf der Dreieich. Und natürlich auf unserer eigenen Con – der Manticon. Ein Wochenende auf der Starkenburg zocken, unterhalten, Workshops. Unterbringung und Essen -all inclusive- sind im Preis. Es sind noch Tickets da!
obskures.de: Welche Frage fehlt Deiner Meinung und wie lautet die Antwort?
Nicolai: Na, ganz einfach – die Frage lautet – wo kriegen wir denn die Tickets für diese fantastische Con? Und die Antwort lautet – natürlich beim Mantikore-Verlag entweder direkt im Webshop auf www.mantikore-verlag.de oder einfach bei mir anfragen unter mantikoreverlag@aol.com.
obskures.de: Herzlichen Dank für dieses Interview.
In den kommenden Tagen erscheint ein weiteres Interview mit Nicoloi Boncyk beim Nachbarblog des Würfelhelden. (Danke Marcus L. für die Interviewanregung)
Quellen:
Mantikore-Verlags-Homepage
mantikoreverlag@aol.com (Mailadresse)
Würfelheld-Homepage
Bildnachweis:
Freigabe durch den Verlag via Email am 29.11.2012
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